Europäische Stechpalme (Ilex aquifolium)

Alles von der Pflanzung über die Pflege bis hin zum Holz!



Kurz und knapp

  • Baum des Jahres 2021, welcher im deutschen Wald überaus selten geworden ist und momentan vorzugsweise als immergrüner Laubbaum als Weihnachtsschmuck beliebt ist
  • Früher typisches, langsam wachsendes und schattenertragendes Gehölz der Niederwaldwirtschaft der mild-humiden Klimazonen
  • Besitzt geringe Standortsansprüche, bevorzugt aber frische bis mäßig trockene, milde nicht zu saure Böden mit mittlerer Nährstoffversorgung
  • Ist nicht prädestiniert dafür, gegen Trockenheit, Fröste und Hitze besonders tolerant zu sein, profitiert aber als immergrüner und sehr zählebiger Baum vermutlich durch die länger werdenden Vegetationszeiten vom Klimawandel, was die Ausbreitung immergrüner Gehölze in den letzten Jahren erklären könnte
  • Das gelblich-grüne Holz ist sehr hart und feinfasrig und wird gerne für Drechslerarbeiten und Furnieren verwendet; beliebtes Holz für die Spielpfeifen von Dudelsäcken

Vorteile:

+ gedeiht sowohl auf schlechten als auch auf sehr guten Standorten

+ sehr schatten-, immissions- und kalktolerant

+ verbissungefährdet

+ Bereicherung des Unterbaus und des Waldrands

 

Nachteile:

- frostgefährdet

- verträgt keine längeren Trockenperioden und strenge Winter



Europäische Stechpalme - Steckbrief

Wuchs

Aussehen (Habitus)

Aufrechter Strauch bis Baum mit grünen, gerieften Zweigen, Krone schmal kegelförmig bis rundlich mit dünner, glatter, schwarzbrauner Borke

Höhe 10 - 20 m
Durchmesser (BHD) 0,1 – 0,3 m

Wuchstempo

langsam bis mäßig
Wurzelsystem Herzwurzler (tiefreichend)
Lebenserwartung   bis 300 Jahre
Hiebreife 100 Jahre

Standort

Verbreitung Selten und heimisch (Mittelmeerraum bis Britische Inseln und Südwest-Skandinavien)
Boden anspruchslos; trocken bis frisch, tiefgründig, lehmig-sandig, leicht sauer; optimal nährstoff- und kalkreich
pH-Wert 5,5 - 8
Nährstoffbedarf gering - mäßig
Wasserbedarf gering - mäßig
Lichtbedarf Schattenbaumart
Jahrestemperatur (Ø) 5 – 13 °C
Trockenheitstoleranz hoch
Staunässetoleranz niedrig
Frosthärte niedrig – mäßig (früh- und spätfrostgefährdet)

Pflanzung

Pflanztermin Herbst
Pflanzabstand 1 x 1 m; 2 x 2 m
Verbiss

gering

Konkurrenzkraft

gering

Holz

Aussehen Gelblich-grün, feine Maserung und Textur
Rohdichte 790 kg/m3
Besonderheit

Hart und schwer

Verwendung

Beliebtes Holz für Drechslerarbeiten, Furniere und Musikinstrumente

Blatt

Form Elliptisch bis lanzettlich, unterschiedliche Formen, weiter unten am Stamm mit Stacheln besetzt, gewellt
Größe 5 – 8 cm lang
Farbe

Ledrig grün glänzend

Laub

immergrün

Blütenstand

Form Gestielt, 4-zählig, in Achseln vorjähriger Blätter
Farbe Weiß
Größe

0,4 cm lang

Blütezeit

Mai - Juni

Frucht

Form Kugelige Steinfrucht, haften sehr lange an der Pflanze
Farbe Glänzend scharlachrot
Größe 0,7 -  1 cm
Reife Oktober
Essbar nein (hoch giftig!)

Beschreibung

Schon allein der Name lässt etwas Exotisches vermuten. Allerdings ist die Europäische Stechpalme ein durch und durch heimische Baumart, dessen natürliches Verbreitungsgebiet sich bis zu den britischen Inseln und Südwest-Skandinavien bis zu 1.600 m ü. NN zieht. Jedoch ist sie bis zu ihrer Wahl zum Baum des Jahres 2021 etwas in Vergessenheit geraten, da sie wie die etwas langsamer wachsenden Wildobstgehölze unter der Änderung der Betriebsform im Forst, von Nieder- zu Hochwald litt. Jedoch wird seit dem Ende der 80er Jahre eine fortschreitende Ausbreitung der Stechpalme in den mitteleuropäischen Wäldern beobachtet, dazu aber später mehr. In den Gärten sieht man sie etwas häufiger, da sie als Tiefwurzel eine gute Heckenbepflanzung bietet und dazu auch sehr immissionstolerant ist.

 

Der Name vom immergrünen Laubgehölz entstammt dem Christentum, da am Palmsonntag als Ersatz für den Palmzweig die Zweige der Stechpalme genutzt wurden. Sie ist allerdings auch als Ilex, Hülse oder Walddistel bekannt. Im Englischen als „Holly“ bezeichnet war die Stechpalme vermutlich der Namensgeber für den berühmten Stadtteil „Hollywood“ von Los Angeles. Die getrockneten Blätter des südamerikanische Verwandten Ilex paraguariensis (Mate-Strauch) sind aktuell stark in der Lebensmittelindustrie beliebt, denn sie werden für das Aufgussgetränk Mate-Tee verwendet. Unser europäischer Verwandte ist allerdings giftig, alle Teile der Pflanze haben eine toxische Wirkung auf den Menschen und andere Säugetiere, insbesondere die Blätter und Beeren. Vögel allerdings können die Beeren schadlos fressen.

 

Ilex aquifolium kann sowohl als Baum als auch als mehrstämmiger, 1 – 5 m hoher Großstrauch wachsen. Als Baum werden maximal 10 bis 20 m Höhe und Durchmesser zwischen 0,1 und 0,3 m erzielt, bei einem Höchstalter von 300 Jahren.

 

Potenzielle Rolle im Klimawandel

Die Europäische Stechpalme ist keine klassische Baumart des Klimawandels. Klimatische Extreme wie Sommertrockenheit und strenge Wintertemperaturen sind schließlich der limitierende Faktor für ihre Ausbreitung. Sie gilt aber, so lange diese Faktoren nicht überstrapaziert werden, als stabil, besonders wenn die Winter in Zukunft milder werden. Zudem profitiert die Stechpalme von den insgesamt erhöhten durchschnittlichen Jahrestemperaturen, was auch eine längere Vegetationsperiode bedeutet. Dies kommt den immergrünen Gewächsen beim Wachstum sehr zugute.

 

Des Weiteren kann die Stechpalme vom aktuellen Waldumbau ihren Nutzen ziehen, da der künftige Wald struktur- und artenreicher, sowie mehrschichtig sein soll, in dem eine kleinere und langsamer wachsende Schattenbaumart viele waldbauliche Kombinationsmöglichkeiten bietet und bspw. zur Waldrandgestaltung beiträgt, wo sie Nistplätze für Vögel schafft und Nahrung durch ihre Beeren bietet, speziell im Winter für Amseln, Kernbeißer und Mönchsgrasmücken. Während ihrer Blütezeit profitieren unter anderem die Bienen. Ihre Seltenheit im deutschen Wald und ihr durchaus nutzbares Holz machen sie neben den genannten Prognosen auf jeden Fall anbauwürdig.

 

Ökologie & Standort

Ilex aquifolium ist eine typische Pflanze der Tieflagen, da sie aber eine gewisse Luftfeuchte braucht erweitert sich ihr Verbreitungsgebiet im Mittelmeerraum auch auf Gebirgslagen. An Nährstoffe und Wasser stellt sie keine besonderen Ansprüche. So wächst sie auf mäßig nährstoffreichen, trockenen bis frischen, nicht zu sauren Standorten.

 

Dabei wächst sie aber auch in bodensauren Eichenwäldern oder kalkreichen Waldmeister-Buchwäldern. Optimale Wuchsbedingungen bieten milde Winter und hohe Sommerniederschläge bei einem tiefgründigen Sandboden.

Sie gilt als Schattenbaumart, braucht aber, wenn das waldbauliche Ziel Wuchshöhen von 10 – 15 m vorsieht, mindestens lichten Halbschatten oder mehr. Damit ist auch die Chance für eine Naturverjüngung erhöht.

 

Die Stechpalme besitzt ein tiefreichendes Herzwurzelsystem.

 

Schadfaktoren

Da der Ilex extrem selten vorkommt, spielen die waldschutzfachlichen Faktoren noch keine Rolle. Bekannte Schädlinge kommen daher aus dem Gartenbereich. Hier sind die Ilex-Minierfliege (Phytomyza ilicis), die Ilex-Blattlaus (Aphis ilicis) und die Raupen des Asiatischen Stechpalmenspanners (Plesiomorpha flaviceps) zu nennen, die alle Schäden an den Blättern verursachen. Über Schadpilze ist nichts bekannt. Gegen Wildverbiss ist sie aufgrund ihrer Toxizität immun, weshalb sie auch perfekt als Unterbau geeignet ist. Sie bildet zusätzlich zum Gift unterschiedliche Blattformen aus. Im unteren, verbissgefährdeten Bereich sind die gewellten Blätter mit Stacheln bewehrt, während die oberen Blätter flach und stachellos sind.

 

Problematischer sind die abiotischen Schadfaktoren. So ist die Stechpalme sowohl frühfrost- als auch spätfrostgefährdet, weshalb sie Seiten- und Schirmschutz benötigt. Zudem machen ihr längere Trockenperioden zu schaffen. Sie ist allerdings sturmfest.



Waldbauliche Behandlungsempfehlung

Forstlich besitzt die Europäische Stechpalme aktuell noch keine Bedeutung. Früher war sie eine prägende Baumart der Niederwälder und Waldweiden, weil sie zum einen ungenießbar für Weide- und Wildtiere war und weil si andererseits ein recht hohes Stockausschlagsvermögen besitzt.

 

In Zukunft könnte sie wieder eine wichtigere Rolle im Wald spielen, da sie wie bereits erwähnt sehr gut in die strukturreichen Mischwälder als schattentoleranter Unterbau passt. Ihre Toleranz gegenüber der konkurrenzstarken Rotbuche (Fagus sylvatica) macht sie sehr interessant. Es sollte aber darauf geachtet werden, dass Baumhöhen nur mit einer ausreichenden Lichtversorgung erreicht werden. Am besten wird sie unter Schirm und mit Seitenschutz (Frostgefährdung!) oder als Hecke und Waldmantel gepflanzt.

 

Holzeigenschaften und Verwendung

Das gelblich-grüne, feinfasrige Holz ist schwer, von hoher Härte und nur sehr schwer spaltbar. Trotzdessen lässt es sich sehr gut verarbeiten, es lässt sich gut sägen, hobeln und drechseln. Weil es zudem Polituren sehr gut annimmt, eignet es sich sehr gut für Drechslerarbeiten und Furniere. Traditionell ist im britischen Raum ein sehr beliebtes Holz für Blasinstrumente (Dudey, Dudelsack).


Bilder



Quellen

Häne, K. (2021): Die Stechpalme ist Baum des Jahres 2021. Wald und Holz, 102 (5), 635-37.

 

Jagel, A.; Höggemeier, A.; Kasielke, T. (2016): Ilex aquifolium – Gewöhnliche Stechpalme, Hülse, Ilex (Aquifoliaceae). Jahrbuch Bochumer Bot. Ver. 7, S. 226-236.

 

Redaktion waldwissen.net – LWF (2020): Die Europäische Stechpalme. https://www.waldwissen.net/de/lebensraum-wald/baeume-und-waldpflanzen/laubbaeume/die-europaeische-stechpalme.

 

Roloff, A.; Bärtels, A. (2008): Flora der Gehölze – Bestimmung, Eigenschaften, Verwendung. Verlag Ulmer, 4. Auflage. ISBN: 978-3-8001-8246-6.

 

Schulte, Uta: Die Stechpalme auf dem Vormarsch. https://www.waldwissen.net/de/lebensraum-wald/baeume-und-waldpflanzen/straeucher-krautpflanzen/die-stechpalme-auf-dem-vormarsch.

 

Schütt, P.; Schmuck, H. J.; Stimm, B. (2013): Lexikon der Baum- und Straucharten – Das Standardwerk der Forstbotanik. Nikol Verlag, 2. Auflage. ISBN: 978-3-86820-123-9.