Für in Deutschland wild lebende gebietsfremde Gefäßpflanzen

Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertungen

 

Bundesamt für Naturschutz (BfN)

Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertung

Paulownia tomentosa – Chinesischer Blauglockenbaum

 

Systematik und Nomenklatur:  

Paulownia tomentosa (Thunb.) Steud., 1841, Chinesischer Blauglockenbaum

Synonyme:

Bignonia tomentosa, Paulownia imperialis; Kaiser-Paulownie, Kiribaum Spermatophyta, Paulowniaceae

Lebensraum: Terrestrischer Lebensraum

Status: Etabliert

Ursprüngliches Areal: China

Einführungsweise: Absichtlich

Einfuhrvektoren: Gartenbau

Ersteinbringung: 1843

1843 in Hamburg im Handel angeboten (Speidel 1843). 1834 erstmals in Europa (Frankreich) kultiviert (Neubert 1849).

Erstnachweis: Um 1926

1976 wurde in Geisenheim (Hessen) ein etwa 50jähriges Exemplar aus spontanem Aufwuchs nachgewiesen (Kiermeier 1977). Mehrere verwilderte Exemplare 1983 in Heidelberg belegt (Nowack 1987).

 

Einstufungsergebnis: Potenziell invasive Art – Graue Liste – Beobachtungsliste

Kommentar: Diese Beobachtungsliste enthält jene gebietsfremde Arten, für die Hinweise vorliegen, dass sie auf Grund artspezifischer Gegebenheiten entweder heimische Arten direkt gefährden oder Lebensräume so verändern können, dass diese (indirekt) heimische Arten gefährden. Die "Hinweise", warum die Paulownia tomentosa auf die Beobachtungsliste aufgenommen wurden beziehen sich auf Arbeiten aus den USA, wo eine Verbreitung auf Ruderalflächen thematisiert wird. In diesen Arbeiten wurde aber keine unkontrollierte Ausbreitung der Paulownia tomentosa in naturnahen Ökosystemen festgestellt.  

 

A) Gefährdung der Biodiversität mit vergebene Wertstufe

Kommentar: Negative Auswirkungen der Biodiversität in Form von einer Gefährdung heimischer Arten werden durch die nachfolgenden Schadensindikatoren bestimmt.

 

Interspezifische Konkurrenz - Wertstuffe Unbekannt

Konkurriert in gestörten Wäldern, auf Felsen und an Ufern mit heimischen Arten (USA, Remaley 2005), in Deutschland bisher nur auf Ruderalstandorten beobachtet (Richter & Böcker 2001). Ob die Erfahrungen aus den USA auf Deutschland übertragen werden können, ist derzeit unbekannt.

 

Kommentar: Die Paulownia tomentosa gilt als Pionierbaumart, welche aber im weiteren Verlauf der Sukzession anderen Arten unterlegen ist.

 

Prädation und Herbivorie - Wertstufe Nicht beurteilt

Kommentar: Ist bei Pflanzen nicht vorhanden und wurde somit als „nicht beurteilt“ bestimmt.

 

Hybridisierung - Wertstufe Nein

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Gefährdung heimischer Arten bekannt. 

 

Kommentar: Da es zu keinem genetischen Austausch zwischen einer heimischen Art und der Paulownia gekommen ist.

 

Krankheits- und Organismenübertragung - Wertstufe Nein

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Gefährdung heimischer Arten bekannt.

 

Negative ökosystemare Auswirkungen - Wertstufe Unbekannt

Veränderung von Vegetationsstrukturen (auf Felsstandorten, USA, Remaley 2005; Bildung von Sekundärwäldern auf Bahnflächen Südwestdeutschlands, Adolphi pers. Mitt.). Ob eine Gefährdung heimischer Arten besteht, ist unbekannt.

 

Kommentar: Positiver Einfluss auf Erosion (stabiles Wurzelwerk) und ein positiver Einfluss auf die Nährstoffdynamik (tiefe Wurzeln verhindern Nährstoffauswaschung und fördern Nährstoffe aus tieferen Bodenschichten wieder nach oben).

 

B) Zusatzkriterien

 

Aktuelle Verbreitung - Wertstufe Kleinräumig

Größere Bestände nur in Baden-Württemberg (Richter & Böcker 2001, Richter 2002) und in Hessen (Keil & Loos 2004), in anderen Gebieten selten (Keil & Loos 2004, Essl 2007), Vorkommen in angrenzenden Ländern (Belgien, Frankreich, Österreich, Schweiz, DAISIE 2013).

 

Kommentar: Die Vorkommen in anderen Ländern sind entweder Kurzumtriebsplantagen oder Zierbäume in Parks und Städten. Kleinräumig bedeutet, dass die Art auf unter 1% der Gesamtfläche in Deutschland vorkommt.

 

Maßnahmen - Wertstufe Vorhanden

Mechanische Bekämpfung (Umschneiden, Ringeln, Roden, wegen des hohen Stockausschlagvermögens ist nur das Roden mit Wurzeln erfolgreich, Remaley 2005), Chemische Bekämpfung (Herbizide), Verhinderung absichtlicher Ausbringung (Remaley 2005), Sonstiges (Öf-fentlichkeitsarbeit).

 

Kommentar: Die Bekämpfung ist kein Problem und kann jederzeit zu einer vollständigen Beseitigung mit vertretbaren Aufwand erfolgen. Zudem verliert die Paulownia gegen jede schattentolerante Pflanze in der Jugendphase. 

 

C) Biologisch-ökologische Zusatzkriterien

Kommentar: Die Angaben in diesem Kapitel  fungieren ausschließlich für die Einstufung in der Beobachtungsliste als zusätzliche Einstufungskriterien.

 

Vorkommen in natürlichen, naturnahen und sonstigen naturschutzfachlich wertvollen Lebensräumen - Wertstufe Ja

Bisher überwiegend auf städtischen Ruderalflächen und in Mauerritzen (Richter 2002), sehr selten auf Waldlichtungen und an Flussufern, in Niederwäldern und in natürlicher Felsvegetation (Österreich, Essl 2007; Schweiz,Landolt 1993; USA, ISSG 2005).

 

Kommentar: Eher „Nein“, da die Paulownia diese Gebiete nicht regelmäßig besiedelt. Zudem sind Forste, städtische Gebiete und Agrarflächen davon ausgenommen.

 

Reproduktionspotenzial - Wertstufe Hoch

Ein Baum kann bis zu 20 Millionen Samen im Jahr produzieren, Sämlinge fruktifizieren nach 8-10 Jahren, hohes Stockausschlagvermögen (ISSG 2005, Remaley 2005).

 

Kommentar: Die Samen benötigen zur Keimung erhöhte Umgebungstemperaturen. Dies ist unter jetzigen Klimabedingungen nur im Gewächshaus möglich, da die optimale Bedingung für eine Keimung von der Lichtintensität, der Feuchtigkeit, Konkurrenzlosigkeit und einer hohen Temperatur abhängen. Der Wert wurde als „Hoch“ eingestuft, da die Paulownia mehr als 1000 Samen/ Jahr produziert. Dieser Grenzwert ist von BfN festgelegt worden. Untersuchungen in Deutschland hinsichtlich der Keim- und Überlebensquote im Freiland ergaben jedoch eine Überlebensquoten von 0%.

 

Ausbreitungspotenzial - Wertstufe Hoch

Fernausbreitung der geflügelten Samen durch Wind und Wasser (Kumar et al. 1999), im Handel (Gartenbau, Forst) verfügbar (PPP-Index 2013).

 

Kommentar: Die Fernausbreitung beträgt etwa 200m vom Mutterbaum. Das Ausbreitungspotenzial ist eher durch die aktuelle Nutzung als Wirtschaftsbaumart als hoch einzuschätzen und nicht aufgrund einer unkontrollierten Verbreitung.

 

Aktueller Ausbreitungsverlauf - Wertstufe Expansiv

Breitet sich in warmen Tieflagen Deutschlands langsam aus (Richter & Böcker 2001, Keil & Loos 2004), in Österreich und in der Schweiz rasche Zunahme in den letzten 15 Jahren (Essl 2007).

 

Kommentar: Die rasche Zunahme wird dadurch erklärt, dass seit 1990 etwa 200 neue Funde von Paulownia in Österreich verzeichnet wurden. Für eine Baumart die seit 170 Jahren in Deutschland und Österreich verbreitet ist, ist die Fallzahl von 200 Funden so gering, dass man hier nicht von einem expansiven Ausbreitungsverlauf sprechen kann. Gleichzeitig geht dieser Wert mit einer stärkeren Etablierung der Paulownia als Wirtschaftsbaumart einher und der künstlichen Anpflanzung der Paulownia zu Testzwecken, von den Privatwaldbesitzern im vom Borkenkäfer geschädigten Forst.   

 

Monopolisierung von Ressourcen - Wertstufe Ja

Monopolisierung von Raum und Licht durch schnelles Wachstum und einer Zunahme der Biomasse (USA, ISSG 2005).

 

Förderung durch Klimawandel - Wertstufe Ja

Förderung des Invasionsrisikos durch Klimawandel wird angenommen (Essl 2007, Kleinbauer et al. 2010).

 

Kommentar: Der Klimawandel ändert nichts an der schwachen Konkurrenzfähigkeit der Paulownia Keimlinge gegenüber anderen Pflanzen und bewirkt kein gesteigertes potentielles Invasivitätsrisiko bei einer Erderwärmung. In den wärmeren Gebieten Südeuropas wird die Paulownia tomentosa ebenfalls seit über 170 Jahren angebaut und auch aus diesen Gebieten gibt es keine Invasivitätsbeobachtungen in naturnahen, ungestörten Naturräumen. 

 

 

D) Ergänzende Angaben

 

Negative ökonomische Auswirkungen - Wertstufe Ja

Forstwirtschaft, (USA, ISSG 2005, Remaley 2005), über Schäden in Mauern und an Gebäuden ist bisher nichts bekannt.

 

Kommentar: In der Arbeit wird lediglich auf einen Schaden auf einer Ruderalfläche eingegangen, hier eine Mauer. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Mauer bereits eine Vorschädigung hatte, also verwahrlost und nicht gepflegt wurde, da es ansonsten für die Paulownia nicht möglich gewesen wäre hier einen nennenswerten Schaden anzurichten. 

 

Positive ökonomische Auswirkungen - Wertstufe Ja

Gartenbau, Forstwirtschaft (hohe Holzpreise, Schmuckholz, Hu 1961), Rekultivierung (USA, ISSG 2005).

 

Kommentar: Die Paulownia gilt als eine der am schnellsten wachsenden Baumarten der Welt, welche eine sehr gute Holzqualität besitzt und deren Holz hochpreisig gehandelt wird. Durch Paulowniaholz können tropische und subtropische Hölzer wie z.B. Abachiholz substituiert werden, hierdurch werden bestehende Naturwälder vor unkontrollierten Raubbau bewahrt. 

 

Negative gesundheitliche Auswirkungen - Wertstufe Keine

 

Wissenslücken und Forschungsbedarf - Wertstufe Ja

Langfristige Invasivitätsrisiken in naturnahen Lebensräumen. 

 

Kommentar: Neue Forschungsergebnisse grenzen die Invasivität auf urbane Bereiche ein, da die Keimfähigkeit in anderen Gebieten sehr gering bis gar nicht möglich ist.

 

Anmerkungen: Bewertungsmethode nach Nehring et al. (2013)

 

Praxisnahe Erfahrungen:

Die Keimungsrate der Samen liegt bei unterschiedlichen Feldversuchen in Deutschland bei 0%, da die Lichtverfügbarkeit und die Temperatur zur Zeit der Samenausbreitung limitierend wirken. Aufgrund der geringen Schattentoleranz der Paulownia ist die Einbringung in geschlossene Wälder nur nach größeren Störungen möglich, da sie anderen heimischen Arten unterliegt. Dies gilt auch für Wiesen und Felder.